Nach großer Anerkennung bei Kritikern und Publikum in einer Zeit des Aufbruchs in Europa und nach der Professur in Frankfurt zwischen 1928 und 1933, die zu großen Hoffnungen Anlass gab, hatte sich der Wind in Deutschland gedreht. Die Kunst Willi Baumeisters galt plötzlich als krank und auf der Münchner Ausstellung Entartete Kunst von 1937 wurden vier seiner Bilder gezeigt.
An eine in der breiten deutschen Öffentlichkeit stattfindende künstlerische Entwicklung war auf unabsehbare Zeit nicht mehr zu denken: "die situation ist zunächst für uns ohne aussicht" (Baumeister an Julius Bissier am 11.4.1934). Doch woher nahm er im selben Brief nur seinen Optimismus: "aber ich bin felsenfest überzeugt, daß man uns einst braucht und nicht die seichten leinwandschinder, die sich vor der maßgeblichen ansicht des ganzen pöbels beugen."
Wie Baumeister und seine Familie die Kriegszeit erlebten, ist unter Kriegszeit im Tagebuch nachzulesen.
Keine Beschränkungen im Ausland
1934 beteiligte sich Baumeister an der Ausstellung "Neue Deutsche Malerei" in Zürich, bevor im Herbst desselben Jahres nach 1931 eine weitere Monografie erschien, diesmal von Eduardo Westerdahl. 1935 fanden in Mailand und Rom Einzelausstellungen statt. Anfang 1937 beteiligte er sich an einer Schau konstruktivistischer Kunst in Basel und zeitgleich mit der Ausstellung "Entartete Kunst" war er in Paris unter dem Titel "Unabhängige Kunst" zu sehen.
Im Herbst 1937 hielt er sich nach längerer Zeit wieder in Paris auf und traf die Freunde Fernand Léger und Le Corbusier.
Zum 50. Geburtstag
1938 deponierte Baumeister eine große Anzahl von Bildern in der Kunsthalle Basel, um sie vor dem Zugriff der Nationalsozialisten zu schützen. Im Juli 1938 war er an der Londoner Exilausstellung "Twentieth Century German Art" beteiligt. Im Januar 1939 schließlich - am Tag seines 50. Geburtstags - eröffnete die Pariser Galerie Jeanne Bucher eine Einzelausstellung mit neueren Arbeiten in Anwesenheit des Künstlers.
Prähistorische Kunst
Schon seit Mitte der 1920er Jahre interessierte sich Baumeister für Höhlen- und Felsbilder, später für jegliche Art vorgeschichtlicher Kunst, die - wie bei vielen anderen Künstlern des 20. Jahrhunderts auch - Einfluss auf seine eigenen Arbeiten hatte. Seit 1935 nahm er öfters an Exkursionen zu Ausgrabungen teil und allmählich erwuchs daraus eine eigene Sammlung prähistorischer und außereuropäischer Stücke.
Kriegsjahre
Den Kriegsbeginn im Herbst 1939 erlebte Willi Baumeister am Bodensee. 1940 bezog er ein neues Atelier in der Stuttgarter Diemershalde. Während der Kriegszeit wurde die Arbeit an den Gemälden jedoch mangels Leinwand und Farben immer schwieriger. Als Malgrund diente zunehmend Karton, bevor sich Baumeister notgedrungen verstärkt der Zeichnung zuwandte. Hinzu kam, dass ihn im Frühjahr 1941 ein Mal- und Ausstellungsverbot traf: "...ist es nicht leicht, die Depressionen dieser Zeit auszuhalten. Dies nun seit 7 Jahren. Vermutlich kann ich nie mehr meine Bilder in Ausstellungen zeigen. Ich arbeite also ausschließlich für mich allein." Um der Depression zu entfliehen, reiste er mit der Familie im Oktober 1941 für einige Tage nach Italien.
Persönliche Verluste
Im Juni 1940 starb der von Baumeister sehr verehrte Paul Klee, dessen Kunst ihn zuletzt stark inspiriert hatte. Im April 1943 schließlich traf ihn der Tod des Freundes Oskar Schlemmer sehr: "... während die Bomben fielen und das Geschützfeuer dröhnte, gedachte ich noch besonders des verstorbenen Freundes" (Tagebuch, 13.4.1943) "Auch denke ich nun an den tot daliegenden Körper, der im Leben so viel ausstrahlte und eine große Kunstschöpfung von sich gab" (Brief an H. Herrmann, 14.4.43).
Ein europäischer Künstler in der Lackfabrik
1936 lernte Willi Baumeister durch die Vermittlung des befreundeten Architekten Heinz Rasch den Inhaber einer Wuppertaler Lackfabrik, Dr. Kurt Herberts, kennen und nahm in dessen Unternehmen 1937 eine Stelle an. Dort arbeiteten neben ihm weitere von den nationalsozialistischen Machthabern verfemte Künstler: Franz Krause, Alfred Lörcher, Georg Muche und Oskar Schlemmer sowie der Kunsthistoriker Hans Hildebrandt. Trotz des Verbotes und stetiger Überwachung arbeitete er parallel zu seiner Tätigkeit in der Lackfabrik an seinem künstlerischen Werk. Baumeister entwarf beispielsweise Tableaus für Ausstellungszwecke und Lackkästen.
Bei der Arbeit an Wandbildern im Haus von Herberts ergab sich die Notwendigkeit, antike und moderne Maltechniken zu erforschen. Aus diesen Untersuchungen heraus entstanden zwischen 1933 und 1944 fünf Publikationen, die unter dem Namen von Dr. Kurt Herberts herausgegeben wurden - darunter "10.000 Jahre Malerei und ihre Werkstoffe" (1939), "Anfänge der Malerei" (1941) und "Modulation und Patina" (1937-1944). In diesen Büchern nutzte Baumeister auch die Gelegenheit, eigene Werke - wenngleich anonym - zu publizieren. Niemand nahm an dieser Form von entarteter Kunst Anstoß!
Das Unbekannte in der Kunst
Willi Baumeister wusste die schwierige Zeit zu nutzen. Von 1943 bis 1944 schrieb er fast täglich an dem Manuskript "Das Unbekannte in der Kunst", das er 1945 überarbeitete und 1947 veröffentlichte.
Das Ende: ein Anfang!
Als im Jahr 1943 die Räume in Wuppertal und schließlich - ebenfalls bei einem Bombenangriff - Baumeisters Stuttgarter Haus teilweise zerstört wurden, zog er mit seiner Familie nach Urach an der Schwäbischen Alb. Im April 1945 floh er mit Frau und Kindern in das Haus des befreundeten Malers Max Ackermann (1887-1975) an den Bodensee, um sich der Verpflichtung zum Volkssturm und einem möglichen Standgericht zu entziehen. Am 8. Mai 1945 schrieb er in sein Tagebuch: "Siegestag der Alliierten."
Willi Baumeister war rasch klar, dass seine Angst, nie wieder öffentlich arbeiten und ausstellen zu können, damit ausgestanden war. Mit größtem Elan ging er an den Neuanfang 1945-1949, zu dem er als Künstler, Lehrer und Theoretiker in großer Verantwortung stand.