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Willi Baumeister am Haus Gerokstraße in Stuttgart

Unter schwie­rigs­ten Bedin­gun­gen: 1933 bis 1945

Margrit und Willi Baumeister zusammen mit Julius Bissier in Frankfurt
Mar­grit und Wil­li Bau­meis­ter, Juli­us Bis­sier, Frank­furt, 1933. Foto: unbe­kannt (Inv.-Nr. ab-f-009–036)

Nach gro­ßer Aner­ken­nung bei Kri­ti­kern und Publi­kum in einer Zeit des Auf­bruchs in Euro­pa und nach der Pro­fes­sur in Frank­furt zwi­schen 1928 und 1933, die zu gro­ßen Hoff­nun­gen Anlass gab, hat­te sich der Wind in Deutsch­land gedreht. Die Kunst Wil­li Bau­meis­ters galt plötz­lich als krank und auf der Münch­ner Aus­stel­lung Ent­ar­te­te Kunst von 1937 wur­den vier sei­ner Bil­der gezeigt.

An eine in der brei­ten deut­schen Öffent­lich­keit statt­fin­den­de künst­le­ri­sche Ent­wick­lung war auf unab­seh­ba­re Zeit nicht mehr zu den­ken: „die situa­ti­on ist zunächst für uns ohne aus­sicht“ (Bau­meis­ter an Juli­us Bis­sier am 11.4.1934). Doch woher nahm er im sel­ben Brief nur sei­nen Opti­mis­mus: „aber ich bin fel­sen­fest über­zeugt, daß man uns einst braucht und nicht die seich­ten lein­wands­chin­der, die sich vor der maß­geb­li­chen ansicht des gan­zen pöbels beu­gen.“

Wie Bau­meis­ter und sei­ne Fami­lie die Kriegs­zeit erleb­ten, ist unter Kriegs­zeit im Tage­buch nach­zu­le­sen.

Kei­ne Beschrän­kun­gen im Aus­land

1934 betei­lig­te sich Bau­meis­ter an der Aus­stel­lung „Neue Deut­sche Male­rei“ in Zürich, bevor im Herbst des­sel­ben Jah­res nach 1931 eine wei­te­re Mono­gra­fie erschien, dies­mal von Edu­ar­do Wes­ter­dahl. 1935 fan­den in Mai­land und Rom Ein­zel­aus­stel­lun­gen statt. Anfang 1937 betei­lig­te er sich an einer Schau kon­struk­ti­vis­ti­scher Kunst in Basel und zeit­gleich mit der Aus­stel­lung Ent­ar­te­te Kunst war er in Paris unter dem Titel „Unab­hän­gi­ge Kunst“ zu sehen.

Im Herbst 1937 hielt er sich nach län­ge­rer Zeit wie­der in Paris auf und traf die Freun­de Fer­nand Léger und Le Cor­bu­si­er.

Willi Baumeister circa 1939
Wil­li Bau­meis­ter, cir­ca 1939. Foto: unbe­kannt (Inv.-Nr. ab-f-001–058)

Zum 50. Geburts­tag

1938 depo­nier­te Bau­meis­ter eine gro­ße Anzahl von Bil­dern in der Kunst­hal­le Basel, um sie vor dem Zugriff der Natio­nal­so­zia­lis­ten zu schüt­zen. Im Juli 1938 war er an der Lon­do­ner Exil­aus­stel­lung „Twen­tieth Cen­tu­ry Ger­man Art“ betei­ligt. Im Janu­ar 1939 schließ­lich – am Tag sei­nes 50. Geburts­tags – eröff­ne­te die Pari­ser Gale­rie Jean­ne Bucher eine Ein­zel­aus­stel­lung mit neue­ren Arbei­ten in Anwe­sen­heit des Künst­lers.

Prä­his­to­ri­sche Kunst

Schon seit Mit­te der 1920er Jah­re inter­es­sier­te sich Bau­meis­ter für Höh­len- und Fels­bil­der, spä­ter für jeg­li­che Art vor­ge­schicht­li­cher Kunst, die – wie bei vie­len ande­ren Künst­lern des 20. Jahr­hun­derts auch – Ein­fluss auf sei­ne eige­nen Arbei­ten hat­te. Seit 1935 nahm er öfters an Exkur­sio­nen zu Aus­gra­bun­gen teil und all­mäh­lich erwuchs dar­aus eine eige­ne Samm­lung prä­his­to­ri­scher und außer­eu­ro­päi­scher Stü­cke.

Kriegs­jah­re

Den Kriegs­be­ginn im Herbst 1939 erleb­te Wil­li Bau­meis­ter am Boden­see. 1940 bezog er ein neu­es Ate­lier in der Stutt­gar­ter Die­mers­hal­de. Wäh­rend der Kriegs­zeit wur­de die Arbeit an den Gemäl­den jedoch man­gels Lein­wand und Far­ben immer schwie­ri­ger. Als Mal­grund dien­te zuneh­mend Kar­ton, bevor sich Bau­meis­ter not­ge­drun­gen ver­stärkt der Zeich­nung zuwand­te. Hin­zu kam, dass ihn im Früh­jahr 1941 ein Mal- und Aus­stel­lungs­ver­bot traf: „…ist es nicht leicht, die Depres­sio­nen die­ser Zeit aus­zu­hal­ten. Dies nun seit 7 Jah­ren. Ver­mut­lich kann ich nie mehr mei­ne Bil­der in Aus­stel­lun­gen zei­gen. Ich arbei­te also aus­schließ­lich für mich allein.“ Um der Depres­si­on zu ent­flie­hen, reis­te er mit der Fami­lie im Okto­ber 1941 für eini­ge Tage nach Ita­li­en.

Per­sön­li­che Ver­lus­te

Im Juni 1940 starb der von Bau­meis­ter sehr ver­ehr­te Paul Klee, des­sen Kunst ihn zuletzt stark inspi­riert hat­te. Im April 1943 schließ­lich traf ihn der Tod des Freun­des Oskar Schlem­mer sehr: „… wäh­rend die Bom­ben fie­len und das Geschütz­feu­er dröhn­te, gedach­te ich noch beson­ders des ver­stor­be­nen Freun­des“ (Tage­buch, 13.4.1943) „Auch den­ke ich nun an den tot dalie­gen­den Kör­per, der im Leben so viel aus­strahl­te und eine gro­ße Kunst­schöp­fung von sich gab“ (Brief an H. Herr­mann, 14.4.43).

Ein euro­päi­scher Künst­ler in der Lack­fa­brik

1936 lern­te Wil­li Bau­meis­ter durch die Ver­mitt­lung des befreun­de­ten Archi­tek­ten Heinz Rasch den Inha­ber einer Wup­per­ta­ler Lack­fa­brik, Dr. Kurt Her­berts, ken­nen und nahm in des­sen Unter­neh­men 1937 eine Stel­le an. Dort arbei­te­ten neben ihm wei­te­re von den natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Macht­ha­bern ver­fem­te Künst­ler: Franz Krau­se, Alfred Lör­cher, Georg Muche und Oskar Schlem­mer sowie der Kunst­his­to­ri­ker Hans Hil­de­brandt. Trotz des Ver­bo­tes und ste­ti­ger Über­wa­chung arbei­te­te er par­al­lel zu sei­ner Tätig­keit in der Lack­fa­brik an sei­nem künst­le­ri­schen Werk. Bau­meis­ter ent­warf bei­spiels­wei­se Tableaus für Aus­stel­lungs­zwe­cke und Lack­käs­ten.

Bei der Arbeit an Wand­bil­dern im Haus von Her­berts ergab sich die Not­wen­dig­keit, anti­ke und moder­ne Mal­tech­ni­ken zu erfor­schen. Aus die­sen Unter­su­chun­gen her­aus ent­stan­den zwi­schen 1933 und 1944 fünf Publi­ka­tio­nen, die unter dem Namen von Kurt Her­berts her­aus­ge­ge­ben wur­den – dar­un­ter „10.000 Jah­re Male­rei und ihre Werk­stof­fe“ (1939), „Anfän­ge der Male­rei“ (1941) und „Modu­la­ti­on und Pati­na“ (1937–1944, erst 1989 erschie­nen). In die­sen Büchern nutz­te Bau­meis­ter auch die Gele­gen­heit, eige­ne Wer­ke – wenn­gleich anonym – zu publi­zie­ren. Nie­mand nahm an die­ser Form von „ent­ar­te­ter“ Kunst Anstoß!

Das Unbe­kann­te in der Kunst

Wil­li Bau­meis­ter wuss­te die schwie­ri­ge Zeit zu nut­zen. Von 1943 bis 1944 schrieb er fast täg­lich an dem Manu­skript „Das Unbe­kann­te in der Kunst“, das er 1945 über­ar­bei­te­te und 1947 ver­öf­fent­lich­te.

Das Ende: ein Anfang!

Als im Jahr 1943 die Räu­me in Wup­per­tal und schließ­lich – eben­falls bei einem Bom­ben­an­griff – Bau­meis­ters Stutt­gar­ter Haus teil­wei­se zer­stört wur­den, zog er mit sei­ner Fami­lie nach Bad Urach auf der Schwä­bi­schen Alb. Im April 1945 floh er mit Frau und Kin­dern in das Haus des befreun­de­ten Malers Max Acker­mann (1887–1975) an den Boden­see, um sich der Ver­pflich­tung zum Volks­sturm und einem mög­li­chen Stand­ge­richt zu ent­zie­hen. Am 8. Mai 1945 schrieb er in sein Tage­buch: „Sie­ges­tag der Alli­ier­ten.“

Wil­li Bau­meis­ter war rasch klar, dass sei­ne Angst, nie wie­der öffent­lich arbei­ten und aus­stel­len zu kön­nen, damit aus­ge­stan­den war. Mit größ­tem Elan ging er an den Neu­an­fang 1945–1949, zu dem er als Künst­ler, Leh­rer und Theo­re­ti­ker in gro­ßer Ver­ant­wor­tung stand.