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Gemälde von Willi Baumeister: Schwarz-Violett

Der Neu­an­fang:
1945 bis 1949

Wil­li Bau­meis­ter ent­wi­ckel­te ziel­stre­big eine ganz per­sön­li­che, ein­drucks­vol­le Bild­spra­che, die in der deut­schen Kunst unmit­tel­bar nach 1945 ein­zig­ar­tig war. Ent­spre­chend hoch war die Aner­ken­nung, die er in der Nach­kriegs­zeit, ins­be­son­de­re in den 1950er Jah­ren im In- und Aus­land erhielt. Zum einen fin­det man nun Ver­bin­dun­gen aus der Viel­falt sei­ner gegen­ständ­li­chen Schaf­fens­pha­sen. Zum ande­ren ent­stan­den hoch ver­dich­te­te Abs­trak­tio­nen, die Bau­meis­ter als einen her­vor­ra­gen­den Gegen­stands­lo­sen cha­rak­te­ri­sie­ren. Die­se Gemäl­de sind wohl am bekann­tes­ten gewor­den und wer­den von einer brei­ten Öffent­lich­keit unmit­tel­bar mit sei­nem Namen ver­bun­den.

Gemälde von Willi Baumeister: Perforation auf Beige
Per­fo­ra­ti­on auf Beige
(Inv.-Nr. BB-1221)
Gemälde von Willi Baumeister: Rote Landschaft
Rote Land­schaft
(Inv.-Nr. BB-1403)

Freu­de an der Wie­der­be­le­bung

Das Kriegs­en­de war für Wil­li Bau­meis­ter in geis­ti­ger Hin­sicht ein Neu­an­fang. Nach Jah­ren der Iso­la­ti­on konn­te er sei­ne Kunst wie­der frei aus­üben. In künst­le­ri­scher Hin­sicht hat­te es für ihn seit 1933 jedoch kei­nen Still­stand gege­ben, so dass er die Ent­wick­lun­gen der vor­aus­ge­gan­ge­nen Jah­re nun naht­los fort­setz­te. In einer Zeit, die von vie­len Aus­stel­lun­gen, Rei­sen, Ver­öf­fent­li­chun­gen und inten­si­ver Lehr­tä­tig­keit geprägt war, war Bau­meis­ter außer­or­dent­lich pro­duk­tiv.

Über­ra­schen­der­wei­se hat­te sich sei­ne Palet­te schon vor 1945 auf­ge­hellt, wie die „Son­nen­fi­gu­ren“ oder „Lini­en­mau­er auf Gelb“ (bei­de 1944) zei­gen. Bau­meis­ter hat­te zwei­fel­los Hoff­nung gehabt, dass sich alles zum Guten wen­den wür­de. An die­se figu­ra­tiv kon­zi­pier­ten, aber doch ans Unge­gen­ständ­li­che gren­zen­den Gemäl­de knüpf­te er nun mit ver­schie­de­nen Grup­pen von „Land­schaf­ten“ und „Mau­er­bil­dern“ an. „Maya-Mau­er“ (1945), „Beleb­te Land­schaft“ (1946) und „Jour Heu­reux“ (1947) sind in ihrer kraft­vol­len Far­big­keit und Bewe­gungs­freu­de Bil­der der Befrei­ung. Ande­re Titel, wie „Hei­te­re Bewe­gung“, „Mit Luft­fi­gu­ren“, „Vita­le Land­schaft“ oder „In far­bi­gen Wol­ken“, sind eben­falls sym­pto­ma­tisch für die­se Pha­se.

For­mal setz­te Bau­meis­ter mit den neu­en Mau­er­bil­dern und ihren orna­men­ta­len Ver­schrän­kun­gen von For­men und Far­ben die Grund­idee der „Afri­ka“-, „Cal­lot“- und „Perforations“-Serien von 1942 fort. Die außer­or­dent­lich male­ri­sche Behand­lung der Flä­chen hat­te er bereits um 1936 ange­legt. Die Land­schaf­ten der Jah­re 1947/48 las­sen Bezü­ge zu den „Eidos“-Bildern von 1938/39 erken­nen. Auch das „Stein­gar­ten“ ‑The­ma von 1939 und die Arbeit mit Lasur­fle­cken aus der Zeit um 1940 klin­gen schließ­lich in „Beleb­te Hal­de“ (1949) wie­der an.

Der stark reli­ef­ar­ti­ge Auf­bau jener Jah­re hin­ge­gen war nun größ­ten­teils einer leich­te­ren und flä­chi­ge­ren Kon­zep­ti­on gewi­chen. Neben „Beleb­te Hal­de“ ist dies auch an eini­gen „Har­fen“ zu sehen. In ihnen vari­ier­te Bau­meis­ter das The­ma der „Fels“- und „Ritz­zeich­nun­gen“, das ihn seit etwa 1930 beschäf­tig­te. Es lie­ßen sich zahl­rei­che wei­te­re Bei­spie­le für die­se Rück­be­sin­nung fin­den. In ihnen drückt sich kei­ne Rück­wärts­ge­wandt­heit aus, son­dern der kon­ti­nu­ier­li­che Wan­del in Bau­meis­ters Werk.

Ur-Schöp­fung als Sym­bol für den Wie­der­auf­bau

The­ma­tisch beweg­te er sich nach wie vor in der archai­schen Welt, deren ewi­ge Gül­tig­keit ihm in Zei­ten des Wie­der­auf­baus und der Neu­ge­win­nung von Iden­ti­fi­ka­ti­on umso wich­ti­ger erschien. Bereits vor­han­de­ne Kon­zep­te wie­der auf­zu­neh­men und neu zu inter­pre­tie­ren zeich­net Bau­meis­ters gesam­tes Oeu­vre aus, kam in die­ser Zeit aber beson­ders zum Vor­schein.

Hier­für steht bei­spiels­wei­se das „Azte­ken­paar“ von 1948, zu dem er sich von einem klei­nen Objekt sei­ner eige­nen Samm­lung inspi­rie­ren ließ, das aber – wie auch etli­che „Gigan­ten“, „Welt­al­ter“ und „Peru“- Moti­ve – die Urkunst und den Urmen­schen am Beginn der Schöp­fung und des schöp­fe­ri­schen Akts sym­bo­li­siert. Die­se Hal­tung kam in beson­de­rem Maß auch wäh­rend Bau­meis­ters Pro­fes­sur zwi­schen 1946 und 1955 zum Tra­gen.

Gemälde von Willi Baumeister: Azteken-Paar (BB-1335)
Azte­ken-Paar
(Inv.-Nr. BB-1335)
Gemälde von Willi Baumeister: Braunes Reliefbild aus Gilgamesch (überarbeitet) (BB-1170)
Brau­nes Reli­ef­bild aus Gil­ga­mesch (über­ar­bei­tet)
(Inv.-Nr. BB-1170)

Beto­nung des mora­li­schen Stand­punkts

Wäh­rend des Krie­ges hat­te sich Bau­meis­ter inten­siv der Zeich­nung zuge­wandt und meh­re­re Zyklen zu mytho­lo­gi­schen The­men und zum Alten Tes­ta­ment geschaf­fen. Eini­ge die­ser Zyklen litho­gra­phier­te er nun und fass­te sie in den Map­pen „Salo­me“ (1946) sowie „Sume­ri­sche Legen­den“ (1947) zusam­men. Auch zahl­rei­che wei­te­re Moti­ve sei­nes zeich­ne­ri­schen wie male­ri­schen Werks frü­he­rer Jah­re – nicht nur der Kriegs­zeit – über­trug er mit­tels der Litho­gra­fie und ab 1950 der Seri­gra­fie auf druck­gra­fi­sche Blät­ter und konn­te auf die­se Wei­se vie­le sei­ner Bild­ideen auch einem brei­te­ren Per­so­nen­kreis zugäng­lich machen.

Im Unter­schied zu den Zeich­nun­gen von 1943/44 setz­te Bau­meis­ter in eini­gen Litho­gra­fien Far­be ein, um ein­zel­ne Bild­par­tien beson­ders zu beto­nen oder unter­schied­li­che Wir­kungs­wei­sen zu ent­de­cken. Es dien­te ihm die Ori­gi­nal­gra­fik aber auch dazu, man­che Vor­stel­lung noch ein­mal zu vari­ie­ren. Mit Hil­fe von Far­be und Durch­rei­be-Tech­ni­ken wies er vie­len gra­fi­schen Arbei­ten male­ri­sche Wer­te zu, wodurch er vie­le Blät­ter die­ser Pha­se zu Mitt­lern zwi­schen Zeich­nung und Male­rei mach­te. In die­sem Zusam­men­hang wand­te er sich in der Gra­fik auch dem Reli­ef als Aus­drucks­form zu, was in den Gemäl­den zwi­schen 1945 und 1949 die Aus­nah­me blieb (z.B. „Brau­nes Reli­ef­bild aus Gil­ga­mesch“, 1946).

Die Inten­tio­nen, die Bau­meis­ter wäh­rend der Kriegs­jah­re mit sei­nen Zeich­nun­gen ver­folgt hat­te, gal­ten auch jetzt noch. Trotz der Nie­der­schla­gung der NS-Dik­ta­tur hat­te die Fra­ge nach Macht­miss­brauch und Wider­stand, Glau­ben und Mensch­lich­keit nichts von ihrer Bedeu­tung ver­lo­ren. Die Litho­gra­fien und Map­pen gaben ihm die Mög­lich­keit, sei­ne Hal­tung mit künst­le­ri­schen Mit­teln noch ein­mal zu inten­si­vie­ren.

Die Figur als Maß­stab für die Kunst

Im Unter­schied zu eini­gen rein unge­gen­ständ­li­chen Unter­neh­mun­gen wäh­rend der Zwan­zi­ger und Drei­ßi­ger Jah­re blie­ben in den ers­ten Jah­ren nach 1945 im Grun­de alle Gemäl­de – in unter­schied­li­chen Abs­trak­ti­ons­gra­den – der Figur ver­pflich­tet, wenn auch nicht nur der mensch­li­chen Figur. Dies soll­te sich auch in den letz­ten fünf Jah­ren sei­nes Schaf­fens nur stel­len­wei­se ändern. Den­noch tra­ten in der fol­gen­den Pha­se neue Bild­ideen hin­zu, die Bau­meis­ters Abnei­gung gegen jeg­li­che Form von Still­stand kenn­zeich­ne­ten.

Gemälde von Willi Baumeister: Linienfiguren auf Gelb (BB-1091)
Lini­en­fi­gu­ren auf Gelb
(Inv.-Nr. BB-1091)