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Lau­da­tio zum 80. Geburts­tag von Feli­ci­tas Bau­meis­ter

Lie­be Frau Bau­meis­ter,
mei­ne sehr geehr­ten Damen und Her­ren.

Zwei Bil­der, Foto­gra­fien, schwarz­weiß, auf­ge­nom­men ver­mut­lich im spä­ten Früh­jahr oder frü­hen Som­mer des Jah­res 1955. Auf dem einen Foto steht der Vater vor und die Schwes­ter neben ihr. Er steht fest, sta­bil, fast breit­bei­nig, unver­rück­bar, die Hän­de in die Hosen­ta­schen gesteckt; er igno­riert die Kame­ra, schaut an ihr vor­bei auf einen fer­nen Punkt am Boden sei­nes Ate­liers. Die Schwes­ter, das lin­ke Bein spie­le­risch abge­win­kelt, blickt zum Vater auf mit leich­tem Lächeln, die Hän­de sind hin­ter dem Rücken ver­schränkt, sie trägt ein ele­gan­tes Kos­tüm, Per­len um den Hals. Sie ist grö­ßer als die Jün­ge­re, die in der Mit­te des Tri­os steht: Feli­ci­tas. Sie ist die ein­zi­ge, die am Vater vor­bei Blick­kon­takt zum Foto­gra­fen und damit zum Betrach­ter auf­nimmt. Man sieht ein sen­si­bles jun­ges Gesicht mit wachem Blick, eine zar­te, modisch-sport­lich geklei­de­te Gestalt.

Kurz davor oder danach muss die zwei­te Auf­nah­me ent­stan­den sein: Feli­ci­tas steht allein vor der Bil­der­wand des Vaters, glei­che Klei­dung, fast glei­che Hal­tung, nur ist ihr Blick jetzt ins Wei­te gerich­tet. Es scheint so, als wür­de ihre schma­le Sil­hou­et­te einen leich­ten Schat­ten wer­fen auf ein Bild des Vaters, ver­mut­lich „Reli­ef Alt-Rosa“, als wür­de ihr Schat­ten mit dem Motiv ver­wach­sen und sie direkt aus der Bau­meis­ter­schen For­men­welt ins Leben wach­sen, sich her­aus­schä­len aus dem mono­chro­men Reli­ef­grund oder aber in ihm ver­schwin­den. Abtau­chen.

Zwei Foto­gra­fien. Sehr viel mehr fin­det man nicht, wenn man nach Feli­ci­tas Bau­meis­ter sucht. Es gibt kei­ne Publi­ka­tio­nen über sie, kei­ne Auf­sät­ze, nur weni­ge Pres­se­tex­te, kei­ne Infor­ma­tio­nen im Inter­net. Nur die­se zwei Bil­der kann man auf der Home­page zu Wil­li Bau­meis­ter ent­de­cken, bei­de ent­stan­den in jenem Jahr, das Feli­ci­tas Bau­meis­ters Leben ver­än­dern wird. Aber das weiß sie zu die­sem Zeit­punkt noch nicht. Sie hat gra­de die Gesel­len­prü­fung als Damen­schnei­de­rin im renom­mier­ten Stutt­gar­ter Mode­sa­lon Karg bestan­den, wor­auf der Vater stolz ist, und sie hat dort Roland Karg, ihren spä­te­ren Mann, ken­nen gelernt. Vier Jah­re zuvor war sie – nach Abschluss der Schul­jah­re am Höl­der­lin-Mäd­chen­gym­na­si­um – in Paris gewe­sen, um die dor­ti­ge Mode­sze­ne zu erkun­den, danach hat sie die Frau­en­fach­schu­le besucht. Die Mode, das soll ihre Welt wer­den. Außer­dem zeich­net und foto­gra­fiert sie gern. Aber dann stirbt am 31. August 1955 Wil­li Bau­meis­ter und für Mar­ga­re­te Bau­meis­ter, die Mut­ter, und für die Töch­ter Kris­ta und Feli­ci­tas ändert sich so ziem­lich alles.

Spricht man Feli­ci­tas Bau­meis­ter heu­te, unglaub­li­che 58 Jah­re spä­ter, auf die­sen Augen­blick in ihrem Leben an, dann sagt sie eini­ge jener Wor­te, die in Vari­an­ten immer wie­der auf­tau­chen, wenn sie erzählt: selbst­ver­ständ­lich, not­wen­dig, ver­traut. Sie habe, so sagt sie, mit vol­lem Her­zen der Sache gedient. Es sei eine Grund­hal­tung in der Fami­lie. Und selbst die Art, in der sie dies sagt, ist so: selbst­ver­ständ­lich.

Sie sitzt mir gegen­über in Jeans und schi­cker Tuni­ka, wie­der hän­gen die Bil­der des Vaters an der Wand in ihrem Rücken, und auch jetzt schaut sie einem ent­ge­gen mit die­sen wachen strah­len­den Augen (dass sie blau sind, sieht man auf dem Schwarz­weiß-Foto nicht), sie lächelt, offen, fein, selbst­ver­ständ­lich, zuge­wandt und vor allem: so unglaub­lich jung.
Die Sache, der sie mit vol­lem Her­zen seit 1955 dient, ist das Werk ihres Vaters, Wil­li Bau­meis­ter. Hier in die­sem Muse­um, in die­sem Kreis von Ken­nern und Freun­den, wis­sen das alle. Aber wo in der Kunst­welt gibt es das noch in die­ser Kon­se­quenz, dass jemand ein Werk, das Ruf und Repu­ta­ti­on hat, ohne Skan­da­le und Que­re­len, ohne Brü­che und Zwei­fel über die Jah­re und Jahr­zehn­te beim Publi­kum, bei den Samm­lern, Kura­to­ren, Muse­en, Gale­ris­ten, Händ­lern, Wis­sen­schaft­lern und Künst­lern auf höchs­tem Niveau und mit Anspruch leben­dig hält und dabei selbst so im Hin­ter­grund bleibt? Spä­tes­tens seit dem Tod ihrer Schwes­ter Kris­ta Gut­brod 1995 lie­gen die Geschi­cke vor allem in ihrer Hand und in der ihres Nef­fen Jochen Gut­brod. Und für mich war und ist es im gan­zen beson­nen klu­gen Umgang mit der Kunst ihr klügs­ter Schach­zug gewe­sen, 2005 das Archiv aus dem pri­va­ten Besitz als Dau­er­leih­ga­be an das Kunst­mu­se­um Stutt­gart zu geben. Groß­zü­gig und weit­sich­tig zugleich. Doch dazu spä­ter.

Viel­leicht ent­springt ihr Han­deln einer Hal­tung, wie sie Wil­li Bau­meis­ter in der theo­re­ti­schen Schrift „Das Unbe­kann­te in der Kunst“ Goe­the zitie­rend so beschreibt – und er scheint es im Nach­hin­ein fast für sei­ne Töch­ter in das Buch auf­ge­nom­men zu haben:
Goe­the zu Ecker­mann:
„Lie­bes Kind, sag­te er, ich will Ihnen etwas ver­trau­en, das Sie sogleich über vie­les hin­aus­hel­fen und das Ihnen lebens­läng­lich zugu­te kom­men soll. Mei­ne Sachen kön­nen nicht popu­lär wer­den. Wer dar­an denkt und danach strebt, ist in einem Irr­tum. Sie sind nicht für die Mas­se geschrie­ben, son­dern für ein­zel­ne Men­schen, die etwas ähn­li­ches wol­len und suchen und die in ähn­li­chen Rich­tun­gen begrif­fen sind“.

Feli­ci­tas Bau­meis­ter (2. v. li.) in Beglei­tung von Petra Olschow­ski (li.), Jochen Gut­brod und Had­wig Goez.

Es geht auch Feli­ci­tas Bau­meis­ter in die­sem Sinn nie dar­um, aus Wil­li Bau­meis­ters Werk etwas Popu­lä­res zu machen, son­dern dar­um, jene Men­schen zu gewin­nen, die in ähn­li­cher Rich­tung begrif­fen sind. Dem Druck von Markt und Zeit­geist hat sie sich nie aus­ge­setzt. Gab es Kri­sen, fra­ge ich. Nein, eigent­lich nicht, ant­wor­tet sie.

Vie­le von Ihnen, mei­ne Damen und Her­ren, die Sie heu­te hier­hin gekom­men sind, ken­nen die Daten und Fak­ten. Und doch ist es wich­tig, noch ein­mal zurück­zu­bli­cken, um viel­leicht im gro­ßen Schat­ten von Wil­li Bau­meis­ter die eige­ne Kon­tur von Feli­ci­tas Bau­meis­ter zu ent­de­cken.

Der Ein­trag im Tage­buch des Vaters ist knapp gehal­ten: „26.4.1933 Mitt­woch früh 4.30 wird eine Toch­ter gebo­ren. Ohne Kom­pli­ka­tio­nen. Die Mut­ter ist wohl, das Kind nor­mal“. – Nor­mal ist in die­ser Zeit sonst nicht viel. Erst weni­ge Tage zuvor hat­te Wil­li Bau­meis­ter, Pro­fes­sor für Wer­be­gra­fik und Typo­gra­fie an der Städ­ti­schen Kunst­ge­wer­be­schu­le (Stä­del­schu­le) in Frank­furt, einen Brief des neu­en Direk­tors der Schu­le erhal­ten, in dem die­ser ihm mit­teil­te, dass man auf sei­ne wei­te­re Lehr­tä­tig­keit ver­zich­te . Die düs­te­ren Jah­re kün­di­gen sich an. Bau­meis­ter muss sein Frank­fur­ter Ate­lier räu­men und zieht mit sei­ner Frau und der vier­jäh­ri­gen Toch­ter Kris­ta am 7. April nach Stutt­gart in die Gerok­stra­ße, ins Haus der Schwie­ger­mut­ter und des Schwa­gers. „Was nun?“, fragt er in sei­nem Tage­buch.

19 Tage spä­ter kommt sei­ne zwei­te Toch­ter zur Welt mit­ten hin­ein in die Zeit der Depres­si­on, wie Bau­meis­ter an Schlem­mer in die­sen Wochen schreibt. „ohne ein­nah­men […] situa­ti­on denk­bar mager mit wenig aus­sich­ten. Sie soll Feli­ci­tas hei­ßen, das Glück“.

Wil­li Bau­meis­ter, als ent­ar­tet erklärt, schlägt sich und die Fami­lie mit Typo­gra­fie-Auf­trä­gen und Pro­jek­ten für Kurt Her­berts, Inha­ber einer Lack­fa­brik in Wup­per­tal, durch. Feli­ci­tas besucht zunächst die Wagen­burg­schu­le. Als 1943 das Haus in der Gerok­stra­ße durch einen Flie­ger­an­griff unbe­wohn­bar wird, zieht die Fami­lie auf die Schwä­bi­sche Alb, nach Urach, wo Feli­ci­tas die Volks- und dann die Ober­schu­le besucht. Als die Front immer näher kommt, sucht sich die Fami­lie eine Höh­le in der Umge­bung als Schutz­asyl. Ostern 1945 ent­schließt sich die Fami­lie zur Flucht: Ziel ist das Haus des Künst­ler­kol­le­gen Max Acker­mann und sei­ner Frau Ger­trud auf der Höri am Boden­see. Hier erle­ben die Bau­meis­ters das Kriegs­en­de und von hier aus fah­ren sie Ende August 1945 mit sechs Bil­der­kis­ten und dem Manu­skript zu „Das Unbe­kann­te in der Kunst“ nach Stutt­gart, als klar ist, dass es für Wil­li Bau­meis­ter eine Per­spek­ti­ve an der Stutt­gar­ter Kunst­aka­de­mie geben kann. 1946 wird er Pro­fes­sor. 1947 erscheint „Das Unbe­kann­te in der Kunst“.

In das Exem­plar, das sei­ne Toch­ter Feli­ci­tas erhält, schreibt er am 21. Novem­ber 1947:
„Mei­ner lie­ben Toch­ter Feli­ci­tas, der Adju­tan­tin, Sekre­tä­rin mit dem guten Gedächt­nis, der Fin­de­rin ver­lo­re­ner und ver­leg­ter Zet­tel, Brie­fe, Schlüs­sel u.a. Sie war stets bereit aus Papier die Fidi­bus­se zu fal­ten und Feu­er zu rei­chen, und gele­gent­lich zu deut­li­chen Zurecht­wei­sun­gen bereit zu sein, falls die Ord­nung in Gefahr war. In beson­de­rer Erin­ne­rung an die Jah­re in Urach, 1943, 44, 45, als die­se Schrift ver­fasst wur­de im klei­nen Wohn­zim­mer am 4seitigen Tisch. Alle Jah­res­zei­ten sahen wir. Trotz allem uns umge­ben­den Übel ver­lo­ren wir den Mut nie­mals […].

Ver­lang­te es auch Mut, nach dem Tod des Vaters die Bestands­auf­nah­me des Nach­las­ses zu über­neh­men und damit die Vor­aus­set­zun­gen zu schaf­fen, für die Erfor­schung und Pfle­ge des Werks eines der bedeu­tends­ten deut­schen, ja euro­päi­schen Künst­ler der Moder­ne? Feli­ci­tas Bau­meis­ter denkt nur kurz nach, ant­wor­tet mit Nein, ihre Mut­ter, ihre Schwes­ter und sie hät­ten das Werk ja schon vor­her beglei­tet. Oft habe ihr Vater abends, wenn er aus dem Ate­lier kam, die Tages­ar­beit dabei gehabt und mit der Mut­ter, ursprüng­lich selbst Künst­le­rin, durch­ge­spro­chen. Schon früh habe er Wer­ke und Werk­grup­pen kon­se­quent foto­gra­fiert. Jedes Jahr an Sil­ves­ter habe er die Jah­res­pro­duk­ti­on begut­ach­tet, qua­si juriert. Auf man­chen Kar­tei­kar­ten fin­det sich bei wich­ti­gen Wer­ken ein „gut“. Sei­ne Kri­te­ri­en: In einem Bild muss es spu­ken. Er war über­zeugt von der Wer­tig­keit sei­ner Arbeit (ande­res wur­de zer­stört), und er hat, so erzählt sie, die Fami­lie immer dar­an teil­ha­ben las­sen. Sie beschreibt, wie die gan­ze Fami­lie eines Tages wei­nend zusam­men­stand, als der Samm­ler und Arzt Otto­mar Dom­nick ein wich­ti­ges Bild gekauft hat und die­ses aus dem Haus abge­holt wur­de.
Der Umgang in der Fami­lie sei lie­be­voll und ein­an­der zuge­wandt gewe­sen, ihr Ver­hält­nis zur Schwes­ter sehr eng. In Fra­gen des Werks waren die bei­den Töch­ter immer einer Mei­nung. Glei­ches gilt heu­te für deren Sohn Jochen Gut­brod. Die­se Einig­keit gebe ihr Sicher­heit, sagt Feli­ci­tas Bau­meis­ter. Und es habe die Freun­de und Rat­ge­ber gege­ben, damals, Men­schen wie den Gale­ris­ten Her­bert Herr­mann bei­spiels­wei­se, Bau­meis­ters Stu­den­ten oder Will Groh­mann, mit dem sie das Werk­ver­zeich­nis gemacht hat – mit einer unge­wöhn­li­chen Grund­kon­zep­ti­on: der Ord­nung nach Werk­grup­pen. Fragt man sie heu­te nach den wich­tigs­ten Erfol­gen, nennt sie als ers­tes die­ses Ver­zeich­nis. Vie­le wei­te­re Unter­stüt­zer, Freun­de und Rat­ge­ber kamen über die Jah­re dazu.

Kurz nach Erschei­nen des Werk­ver­zeich­nis­ses kommt der ers­te gro­ße inter­na­tio­na­le Auf­tritt: Die Ehrung Bau­meis­ters auf der 30. Bien­na­le in Vene­dig 1960. Als Feli­ci­tas Bau­meis­ter vor drei Jah­ren die Ehren­se­na­to­ren­wür­de der Stutt­gar­ter Kunst­aka­de­mie erhielt, wies Pro­fes­sor Hans Die­ter Huber in sei­ner Rede beson­ders dar­auf hin: Bereits damals fühl­te sich Feli­ci­tas Bau­meis­ter nicht nur für den Nach­lass ihres Vaters ver­ant­wort­lich, son­dern bewies kura­to­ri­sche Fähig­kei­ten und kon­ser­va­to­ri­sches Fein­ge­fühl, indem sie alle Anstren­gun­gen unter­nahm, damit die Bil­der und Zeich­nun­gen in einem ein­wand­frei gerahm­ten Zustand prä­sen­tiert wer­den konn­ten.

Feli­ci­tas Bau­meis­ter selbst sagt: Wir konn­ten nicht mehr machen als Aus­stel­lun­gen.
Fragt man sie nach ihren Stär­ken, ant­wor­tet sie, sie sei wohl kraft­voll und zurück­hal­tend zugleich. Dabei darf man nicht ver­ges­sen, dass sie schließ­lich auch der kran­ken Mut­ter bei­ste­hen muss­te. Und zwi­schen­durch war ich ja auch mal 20 Jah­re ver­hei­ra­tet und habe viel mit mei­nem Mann gear­bei­tet, sagt sie, und dabei lacht sie wie­der.

Fast sech­zig Jah­re hat sie nun also geord­net, sor­tiert, beschrie­ben, bewer­tet, archi­viert, tran­skri­biert, aus­ge­stellt, ver­mit­telt, publi­ziert, kura­tiert, auf­ge­lis­tet und vie­les mehr. Dabei den Über­blick nie ver­lo­ren. Und mehr noch: Sie hat die Posi­ti­on des Werks ihres Vaters in der moder­nen Kunst­ge­schich­te ein­deu­tig ver­an­kert und das Inter­es­se auch einer jün­ge­ren Gene­ra­ti­on wach gehal­ten. Auch das hält sie für selbst­ver­ständ­lich, aber man muss nur auf die Nach­lass­strei­tig­kei­ten im Fall des Bau­meis­ter-Freun­des Oskar Schlem­mer schau­en, um zu wis­sen, dass es das nicht ist. Klug hat sie die Part­ner gesucht: In die­ser Regi­on hier, aber auch natio­nal und inter­na­tio­nal. Bei­spiel­haft möch­te ich nur die drei­tei­li­ge Aus­stel­lung zum 100. Geburts­tag von Wil­li Bau­meis­ter in Stutt­gart und in der Natio­nal­ga­le­rie in Ber­lin nen­nen, aber auch die retro­spek­ti­ven Aus­stel­lun­gen in Madrid und Mün­chen 2003/04.

Nun steht die Her­aus­ga­be der Brie­fe und die Bear­bei­tung der Tage­bü­cher an, gern wür­de sie ein­mal das Motiv des „Ten­nis­spie­lers“ im Werk the­ma­ti­sie­ren, aktu­ell steckt sie in der Vor­be­rei­tung zur Aus­stel­lung „Wil­li Bau­meis­ter Inter­na­tio­nal“, die im Okto­ber 2013 hier im Kunst­mu­se­um eröff­net wird. Für die neue For­scher­ge­ne­ra­ti­on, die sich nun mit Wil­li Bau­meis­ter beschäf­ti­gen wird, hat sie – unter ande­rem gemein­sam mit Had­wig Goez, die seit 2000 als stän­di­ge Mit­ar­bei­te­rin die Archiv­ar­beit mit prägt – das Bau­meis­ter Archiv ins Kunst­mu­se­um über­führt und damit geschafft, was vie­len Nach­lass­be­treu­ern nicht gelingt: Sie hat das Archiv von der eige­nen Per­son gelöst und öffent­lich zugäng­lich gemacht. Ihr Ver­trau­en in die Zukunft und in zukünf­ti­ge Gene­ra­tio­nen ist groß.

Und sie selbst? Sie habe noch unzäh­lig vie­le Pro­jek­te vor, sagt sie. Und etwas ande­res hat man nicht erwar­tet. Eigent­lich hät­te sie selbst immer mal gern Glas­fens­ter ent­wor­fen, aber das ver­schie­be sie nun auf die Jah­re zwi­schen 90 und 100. Denn zwi­schen der wei­te­ren Erschlie­ßung des Nach­las­ses bleibt gera­de noch etwas Zeit für die sonn­täg­li­chen Spa­zier­gän­ge auf der Wan­ge­ner Höhe, für ihr archäo­lo­gi­sches Inter­es­se, ihr Enga­ge­ment für die Stutt­gar­ter Kunst­aka­de­mie (wofür ich beson­ders dan­ke) und für die Stadt Stutt­gart und deren kul­tu­rel­les und archi­tek­to­ni­sches Erbe. Irgend­wie glaubt da kei­ner so rich­tig an das Sab­bat-Jahr, das sie nach der Aus­stel­lung im Kunst­mu­se­um ein­le­gen will. Sie hat viel zu viel Lust noch vie­les zu machen. Zum Bei­spiel ihr gutes Gedächt­nis nut­zen, um Wis­sen zu sichern, wie sie es nennt.

Bevor ich an die­sem Nach­mit­tag das Para­dies in der Gerok­stra­ße ver­las­se, fra­ge ich sie nach ihren Lieb­lings­bil­dern. Sie geht ins Wil­li-Bau­meis­ter-Zim­mer mit sei­nen klei­nen Schät­zen und gro­ßen Reich­tü­mern, mit Fund­stü­cken, archäo­lo­gi­schen Kost­bar­kei­ten, Mas­ken, gesam­mel­ten Blät­tern geschätz­ter Künst­ler­kol­le­gen, mit Zeich­nun­gen und Bil­dern. Sie bleibt vor zwei Gemäl­den aus der Serie der Wachs­tums­bil­der ste­hen. Wie hier die hel­le Flä­chig­keit abschlie­ßend auf den dunk­len Mal­grund gesetzt wird und die Kon­tu­ren erst ganz zum Schluss bestimmt wer­den… Das fin­de ich schon wich­tig. Das ist ziem­lich ein­ma­lig – in der Wir­kung, in der Bewe­gung, erklärt sie.

Ich den­ke an die Kon­tur der jun­gen Frau damals vor den Bil­dern des Vaters. Die dunk­len For­men der Wachs­tums­bil­der flir­ren im fast wei­ßen Bild­raum, jagen sich, flie­gen, schwe­ben, pul­sie­ren. Und sie steht davor. Ganz ruhig und klar. Feli­ci­tas, die Adju­tan­tin, das Glück.

Von Petra Olschow­ski,
Kunst­mu­se­um Stutt­gart, am 19. Juli 2013