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Gemälde von Willi Baumeister: Atelierbild (BB-0316)

In Frank­furt und danach:
1928 bis 1935

Gemälde von Willi Baumeister: Schreitende Figur (überarbeitet) (BB-0548)
Schrei­ten­de Figur
(über­ar­bei­tet)
(Inv.-Nr. BB-0548)

Orga­ni­sche­re For­men und Bewe­gung

1928 wur­de Wil­li Bau­meis­ter auf eine Pro­fes­sur nach Frank­furt beru­fen. In die­sen Jah­ren wur­den die For­men in sei­nen Bil­dern zuneh­mend wei­cher. Er ent­wi­ckel­te neue Kon­zep­tio­nen und gab schritt­wei­se die stren­ge, kon­struk­ti­vis­ti­sche Male­rei zu Guns­ten orga­ni­scher For­men auf. Auf die­se Wei­se konn­te er sich dem Motiv der Bewe­gung stär­ker zuwen­den. In die­ser Pha­se ent­stan­den auch ver­mehrt Gemäl­de mit Sand, die mate­ri­ell wie for­mal nahe an die von ihm bewun­der­te Höh­len­ma­le­rei her­an­ka­men.

Sport­ler

Bei den zahl­rei­chen Sport­bil­dern kann man zwei Ansät­ze im Werk Bau­meis­ters aus die­ser Pha­se erken­nen: Zum einen den an die geo­me­tri­sie­ren­den Arbei­ten der frü­hen 1920er Jah­re anknüp­fen­den Duk­tus mit flä­chi­gen Figu­ren und einem kla­ren ach­sia­len Bild­auf­bau; zum ande­ren unge­wöhn­lich kör­per­haf­te und per­spek­ti­visch gese­he­ne Figu­ren in Bewe­gung.

Die­se Rich­tung, die Bau­meis­ter um 1923 par­al­lel zu den flä­chi­gen Dar­stel­lun­gen ein­ge­schla­gen hat­te, blieb fast aus­schließ­lich auf Sport­sze­nen beschränkt. Hier schie­nen ihm schat­tier­te Volu­men dem The­ma ange­mes­se­ner zu sein, wie die „Läu­fe­rin“ (1925), „Ten­nis­spie­ler“ (1929), „Figu­ren auf Blau“ (1928) und wei­te­re Sport­ler zei­gen. Aller­dings ent­fern­te er sich damit von sei­nen künst­le­ri­schen Grund­auf­fas­sun­gen so weit, dass er dies spä­ter als irr­tüm­li­ches Zuge­ständ­nis an die Kunst der Neu­en Sach­lich­keit bezeich­ne­te und vie­le Arbei­ten wie­der ver­nich­te­te.

Den­noch führ­te Bau­meis­ter die „Sportler“-Bilder aus der geo­me­tri­schen Star­re. Zwar hielt er in man­chen Arbei­ten noch für eine kur­ze Zeit an dem stren­ge­ren Auf­bau fest, den er seit 1919 in den „Mau­er“- und „Maschi­nen­bil­dern“ ent­wi­ckelt hat­te (z.B. „Schwim­mer an der Lei­ter“, 1929 – „Maschi­nen­mensch“, 1929/30), doch sind auch schon Unter­schie­de zu erken­nen. Die Schwim­mer bei­spiels­wei­se wur­den in ein etwas leben­di­ge­res Umfeld ein­be­zo­gen, das sogar leicht sur­rea­lis­ti­sche Ele­men­te auf­wies. Die „Sport­ler­bil­der“ ab 1933 hin­ge­gen waren zwar immer noch an die Flä­che gebun­den, gewan­nen jedoch deut­lich an Bewe­gung. Flie­ßen­de­re For­men und beweg­te Umris­se auf struk­tur­rei­chem Mal­grund erga­ben rhyth­mi­sche Kom­po­si­tio­nen („Ten­nis“, 1933 – „Fuß­ball­platz“, 1934). Dabei behielt Bau­meis­ter den hohen Abs­trak­ti­ons­grad bei, stei­ger­te ihn sogar gele­gent­lich.

Gemälde von Willi Baumeister: Maler mit Palette
Maler mit Palet­te
(Inv.-Nr. BB-0327)

Beginn einer male­ri­schen Epo­che

Mit dem Ein­satz neu­er Gestal­tungs­ele­men­te begann im Werk Bau­meis­ters um 1930 ein betont male­ri­scher Abschnitt, was sich gegen Ende des Jahr­zehnts noch stei­ger­te. Die Art des Farb­auf­trags, die Ver­wen­dung von Sand und Spach­tel­kitt, die Behand­lung der Ober­flä­che machen deut­lich, dass ihm in die­ser Pha­se das inten­si­ve Spiel mit Tex­tu­ren min­des­tens eben­so wich­tig war wie das Motiv.

Kon­se­quen­ter­wei­se mach­te die­se neue Male­rei auch nicht Halt vor Dar­stel­lun­gen des Malens selbst, denn in gewis­ser Wei­se sah Bau­meis­ter den Maler als „Sport­ler mit Palet­te“ – ruhe­los nach neu­en Aus­drucks­for­men stre­bend. Gera­de an die­sen „Ate­lier­bil­dern“ kommt die neue Viel­schich­tig­keit in sei­nen Gemäl­den zum Aus­druck.

Zwar sind noch immer geo­me­tri­sche Grund­for­men erkenn­bar, doch ist jeg­li­cher Sche­ma­tis­mus über­wun­den. Drei­eck, Kreis und Qua­drat wer­den über­la­gert und durch­drun­gen von beweg­ten, kur­vi­gen Linea­tu­ren, Sand­flä­chen und Lasu­ren. Die Bild­ele­men­te tre­ten ein in ein frei­es Spiel, das dem Betrach­ter eben­falls mehr Spiel­raum lässt, in eine Bezie­hung zum Inhalt der Dar­stel­lung zu tre­ten. Die­se Auf­fas­sung fin­det sich auch in den Zeich­nun­gen und in der Druck­gra­fik.

Die Abkehr vom sta­ti­schen Bild um 1930 ist in allen Sujets und Tech­ni­ken zu beob­ach­ten. Aus einer tek­to­ni­schen Pha­se war Wil­li Bau­meis­ter in eine male­ri­sche Pha­se ein­ge­tre­ten.

Läu­fer – Vall­tor­ta

Hin­ter allen Arbei­ten die­ses Werk­ab­schnitts erahnt man die sti­mu­lie­ren­den Kräf­te, die Bau­meis­ter hin­ter der mensch­li­chen Tätig­keit sah – im Sport, beim Malen, an der Maschi­ne. Für ihn waren es Trieb­kräf­te, deren Wir­kung er noch stei­ger­te, nach­dem er 1931 bei einem Vor­trag mit stein­zeit­li­cher Höh­len­ma­le­rei in Berüh­rung gekom­men war. Die Fels­ma­le­rei­en waren in ihrem engen for­ma­len Bezug zur Wand (Mau­er!) und moti­visch zum Trieb­haft-Exis­ten­zi­el­len (Jagd) nahe­zu deckungs­gleich mit Bau­meis­ters Vor­stel­lung von den ver­bor­ge­nen Urkräf­ten in der Kunst ins­ge­samt. Was er 1947 in „Das Unbe­kann­te in der Kunst“ ver­öf­fent­lich­te, setz­te er jetzt schon in Male­rei um.

Vor allem die zahl­rei­chen „Läu­fer“, „Sprin­ger“ und „Tau­cher“ um 1934/35 – stark ver­ein­fach­te sche­men­haf­te schwar­ze Gestal­ten auf brau­nem, grob­kör­ni­gem Grund, waren Bau­meis­ters Über­set­zung jener prä­his­to­ri­schen Male­rei in eine moder­ne Spra­che. Sei­ne Dar­stel­lun­gen jener Jah­re waren in ihrer knap­pen Prä­gnanz abs­trak­ter als jedes Bild zuvor. Am deut­lichs­ten kommt dies in der Zeich­nung „Der Sprin­ger“ von 1934 zum Aus­druck, eben­so im „Läu­fer Vall­tor­ta“ aus dem­sel­ben Jahr.

Gemälde von Willi Baumeister: Läufer Valltorta (BB-0593)
Läu­fer Vall­tor­ta
(Inv.-Nr. BB-0593)


[…] wol­len kei­ne „schö­ne kom­po­si­ti­on“ mehr sein, son­dern direk­ter aus­druck mit ele­men­ta­ren mit­teln. die urkraft soll direkt sicht­bar gemacht wer­den (höh­len­ma­ler­ein der urzeit) nicht über den umweg der frü­her von mir gewon­ne­nen mit­tel. ich habe in den genann­ten bil­dern mit den fast schwar­zen sil­hou­et­ten-for­men das „direkt“ der emp­fin­dun­gen ange­strebt.“

Figu­ren als Zei­chen

Auch der „Fuß­ball­spie­ler“ von 1934 wur­de auf die­se Zei­chen­haf­tig­keit redu­ziert. Bau­meis­ters Figu­ren began­nen, den Cha­rak­ter von Hie­ro­gly­phen – Schrift­zei­chen – anzu­neh­men, wie es spä­ter auch in den Ideo­gram­men der Fall sein soll­te. Die Funk­ti­on eines Bild­in­halts als Sym­bol oder Zei­chen war in Bau­meis­ters Gemäl­den schon län­ger ent­hal­ten. Durch die Nähe zur Fels­ma­le­rei trat sie aber noch deut­li­cher in den Vor­der­grund. 1935 schrieb Bau­meis­ter an Edu­ar­do Wes­ter­dahl, sei­ne Bil­der […]

Gemälde von Willi Baumeister: Flämmchenbild (BB-0491)
Flämm­chen­bild
(Inv.-Nr. BB-0491)

Flämm­chen- und Lini­en­bil­der

Eine wei­te­re Werk­grup­pe zeigt, dass Wil­li Bau­meis­ter immer meh­re­re Kon­zep­te zur sel­ben Zeit ver­folg­te. Ganz anders als die „Sport“- und „Läu­fer­bil­der“ auf Sand sowie die von Farb- und Struk­tur­flä­chen getra­ge­nen „Maler“ prä­sen­tie­ren sich die luf­ti­gen „Lini­en­bil­der“. Auch hier arbei­te­te er mit Sand­grund und sich über­la­gern­den Flä­chen, jedoch sind die Figu­ra­tio­nen noch frei­er und schwe­ben­der. Auch sie haben ihren Anfang um 1924, doch nun lös­ten sich die Gestal­ten aus der tek­to­ni­schen Bin­dung, wie etwa in der „Lini­en­fi­gur auf Braun“ oder den „Lini­en­fi­gu­ren“ (bei­de 1935).

Immer wei­ter ent­fern­te auch Bau­meis­ter sich von der mensch­li­chen Figur, ohne ins Unge­gen­ständ­li­che zu ver­fal­len. Eine Dar­stel­lung die­ser Jah­re nann­te er bei­spiels­wei­se „Ter­ti­är-Gestal­ten“. Zu die­sem Kom­plex zäh­len auch eini­ge „Flämm­chen­bil­der“ von 1931/34, die gemein­sam mit den Lini­en­fi­gu­ren zu den „Eidos“-Serien und den „Ideo­gram­men“ in der zwei­ten Hälf­te der Drei­ßi­ger Jah­re über­lei­ten.

Die brüs­ke Ent­las­sung Wil­li Bau­meis­ters aus dem Frank­fur­ter Lehr­amt im Jahr 1933 hin­der­te ihn nicht dar­an, sei­nen ein­ge­schla­ge­nen Weg kon­se­quent fort­zu­set­zen. Zumin­dest sei­ner Kunst ist die­se bio­gra­fi­sche Zäsur nicht anzu­mer­ken. Die­se beson­de­re Kon­ti­nui­tät zeich­ne­te auch die fol­gen­den Werk­pha­sen aus.