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Zeichnung von Willi Baumeister: Läufer mit Zuschauer (WVZ-0485)

Zeich­nun­gen

Wil­li Bau­meis­ters zeich­ne­ri­sches Werk von rund 2.300 bekann­ten Blät­tern ist eben­so umfang­reich wie das male­ri­sche Oeu­vre. Dabei sind aus der Früh­zeit nur noch weni­ge Zeich­nun­gen erhal­ten, da er spä­ter vie­le Arbei­ten selbst ver­nich­tet hat.

Im Unter­schied zu vie­len ande­ren Künst­lern sind die erhal­te­nen Zeich­nun­gen bei Bau­meis­ter nur sel­ten als kon­kre­te Vor­stu­fe zu einem Gemäl­de zu ver­ste­hen. Des­sen Ent­wurf fand in der Regel auf der Lein­wand oder dem Kar­ton selbst statt. Vor­ent­wür­fe hät­ten auch Bau­meis­ters Vor­stel­lung von einem kon­ti­nu­ier­li­chen Schöp­fungs­pro­zess wäh­rend der Arbeit wider­spro­chen. Man­che Zeich­nun­gen hin­ge­gen sind oft­mals als Erin­ne­rungs- oder Demons­tra­ti­ons­skiz­ze eines abge­schlos­se­nen Mal­vor­gangs zu ver­ste­hen. Auf jeden Fall sind die meis­ten Zeich­nun­gen Bau­meis­ters – wie er es selbst 1942 for­mu­lier­te – ganz an die Stel­le eines abge­schlos­se­nen Bil­des zu set­zen.

Zeichnung von Willi Baumeister: Figurengruppe mit Farbzonen (WVZ-1437)
Figu­ren­grup­pe mit Farb­zo­nen (Inv.-Nr. WVZ-1437)

Unter den Tech­ni­ken über­wiegt die Zeich­nung mit Koh­le, Krei­de oder Blei­stift, sel­te­ner sind Pas­tell­far­ben, Farb­stif­te oder die Gou­ache. Ent­spre­chend ist die Zahl der mono­chro­men Arbei­ten deut­lich grö­ßer als die der far­bi­gen – ins­be­son­de­re in den Jah­ren bis 1945. Dabei darf der bewuss­te Ein­satz von getön­ten Papie­ren hier­bei nicht außer Acht gelas­sen wer­den.

Die künst­le­ri­sche Ent­wick­lung Bau­meis­ters als Maler, die häu­fig auch mit Ände­run­gen in der Ver­wen­dung der Mal­mit­tel ein­her­ging, lässt sich in der Regel auch im zeich­ne­ri­schen Werk beob­ach­ten. Inter­es­sant ist, dass er dabei zuwei­len über­set­zen muss­te, wie bei­spiels­wei­se bei den Reli­ef­struk­tu­ren und der Mate­ria­li­tät der Mau­er­bil­der (1919–24), die er auf die Zeich­nung zum Teil als Col­la­ge über­trug.

Spä­ter boten ihm Frot­ta­gen und ande­re Durch­rei­be-Tech­ni­ken sowie Ver­wi­schun­gen die Mög­lich­keit, Farb­wer­te der Gemäl­de auf die Gra­fik zu über­tra­gen.

Malen und Zeich­nen hat­te für Bau­meis­ter einen ver­gleich­ba­ren Stel­len­wert in der künst­le­ri­schen Arbeit. Ein­mal bezeich­ne­te er sei­ne Zeich­nun­gen als sei­nen größ­ten Schatz. Den­noch gab es Pha­sen, in denen er sich der Zeich­nung und der Druck­gra­fik stär­ker zuwand­te: wäh­rend der Pro­fes­sur in Frank­furt sowie wäh­rend der letz­ten Kriegs­jah­re vor 1945. Im ers­ten Fall war für die Arbeit an der Staf­fe­lei weni­ger Zeit als zuvor, im zwei­ten Fall wur­de Bau­meis­ter durch den Man­gel an Lein­wand und Ölfar­ben zum Aus­wei­chen auf ande­re Tech­ni­ken gezwun­gen.

Zeichnung von Willi Baumeister: Archaische Szene farbig (WVZ-1514)
Archai­sche Sze­ne far­big
(Inv.-Nr. WVZ-1514)
Zeichnung von Willi Baumeister: Ballspieler (WVZ-0471)
Ball­spie­ler
(Inv.-Nr. WVZ-0471)

Wege zur Form

Am Beginn der künst­le­ri­schen Ent­wick­lung Wil­li Bau­meis­ters zwi­schen 1911 und 1914 stan­den zahl­rei­che Stu­di­en von „Figu­ren in der Land­schaft“, die vor allem sei­ne Beschäf­ti­gung mit Cézan­ne ver­deut­li­chen. Das räum­li­che Ele­ment, das in die­ser Zeit noch vor­han­den war, ver­schwand ab 1918 weit­ge­hend.

Die Zeich­nun­gen in den Jah­ren zwi­schen 1919 und etwa 1926 zei­gen die­sel­ben Prin­zi­pi­en wie die Mau­er­bil­der und die anschlie­ßen­den Maschi­nen­bil­der: geo­me­tri­sche Kom­po­si­tio­nen mit dem fort­wäh­ren­den Bemü­hen, das Motiv durch Linie und Flä­che, nicht durch Kör­per­haf­tig­keit zu bestim­men. Eini­ge weni­ge Ver­su­che in Rich­tung Unge­gen­ständ­lich­keit beglei­te­ten die Figu­ren­bil­der. Arbei­ten hin­ge­gen, die eine plas­ti­sche­re Annä­he­rung an die mensch­li­che Figur zeig­ten, ver­nich­te­te Bau­meis­ter spä­ter wie­der so weit er konn­te.

Von der Kon­struk­ti­on zur Bewe­gung

Ana­log zur Ent­wick­lung in sei­ner Male­rei über­wand Bau­meis­ter seit 1926 all­mäh­lich die kon­struk­ti­vis­ti­sche Bewe­gungs­lo­sig­keit, in der sei­ne Figu­ren bis dahin ver­harrt hat­ten. Dies wird künst­le­risch wie the­ma­tisch glei­cher­ma­ßen deut­lich. Bis weit in die Drei­ßi­ger Jah­re hin­ein bestimm­ten die Sport­bil­der sei­ne Arbei­ten. Als for­ma­le Ent­spre­chung zur Bewe­gung der Hand­ball- und Ten­nis­spie­ler, Tur­ner, Läu­fer und Sprin­ger wur­den die Lini­en nun flie­ßen­der und orga­ni­scher, die Kom­po­si­tio­nen beweg­ter und nuan­cier­ter in den Ton­wer­ten.

Gleich­zei­tig blieb der Abs­trak­ti­ons­grad hoch, was beson­ders anhand der Zeich­nun­gen jener Jah­re deut­lich wird, in denen sich Bau­meis­ter auf das Nötigs­te beschrän­ken konn­te – bis hin zu neu­er­li­chen Ver­su­chen, die mensch­li­che Figur fast völ­lig hin­ter die Struk­tu­rie­rung der Flä­che zurück­zu­drän­gen. Die Ent­wick­lung der bild­ne­ri­schen Mit­tel zu einer leb­haf­te­ren Gestal­tungs­wei­se unter­stütz­te er in sei­nen Zeich­nun­gen nun häu­fig durch Ver­wi­schun­gen, Schraf­fu­ren und den Ein­satz von Ton­pa­pier.

Zeichnung von Willi Baumeister: Afrikanische Spiele (WVZ-0788)
Afri­ka­ni­sche Spie­le
(Inv.-Nr. WVZ-0788)

Das „Unbe­kann­te“ bahnt sich sei­nen Weg

Nach sei­ner brüs­ken Ent­las­sung aus dem Dienst der Frank­fur­ter Kunst­schu­le 1933 änder­ten sich die The­men und For­men sei­ner Kunst all­mäh­lich. Aller­dings zei­gen eini­ge Zeich­nun­gen noch Jah­re spä­ter die gestal­te­ri­schen Grund­sät­ze von frü­her. Gleich­wohl trieb die erzwun­ge­ne Zäsur sei­ner künst­le­ri­schen Akti­vi­tä­ten die Pro­duk­ti­on gra­fi­scher Arbei­ten immer schnel­ler vor­an, zumal ab 1941 kaum noch Ölfar­ben und Lein­wand ver­füg­bar waren. Das Mal- und Aus­stel­lungs­ver­bot von 1941 hat­te hier­zu einen zusätz­li­chen Anteil.

Wesent­lich für die Ent­wick­lung sei­ner Zeich­nun­gen bis 1945 war die Beschäf­ti­gung Bau­meis­ters mit archai­schen Tex­ten und mit der Archäo­lo­gie, die ihn zuneh­mend fes­sel­te und nicht zuletzt sein Manu­skript über „Das Unbe­kann­te in der Kunst“ vor­an­brach­te (1947 ver­öf­fent­licht). Die The­men­welt der Arbei­ten hat daher häu­fig Bezug zu Afri­ka, ins­be­son­de­re aber zu Sze­na­ri­en des Alten Tes­ta­ments.

Dies spie­gelt sich in umfang­rei­chen Illus­tra­ti­ons-Fol­gen wider, etwa zum Gil­ga­mesch-Epos (1943) mit mehr als 200 Zeich­nun­gen, dem Buch „Esther“ (1943, ca. 100 Blät­ter) oder „Saul“ (1943). Mit die­sen reli­ef­haf­ten, stark flä­chen­be­zo­ge­nen und größ­ten­teils von der Linie bestimm­ten Figu­ra­tio­nen schloss Bau­meis­ter in for­ma­ler Hin­sicht unmit­tel­bar an die Arbei­ten um 1930/35 an. Inhalt­lich ver­wei­sen die tief­grün­di­gen und bedrän­gen­den Moti­ve jedoch auf die beson­de­ren Zeit­um­stän­de. Zu die­sen Illus­tra­tio­nen gibt es in sei­ner Male­rei wenig Ent­spre­chung.

In allen Fäl­len ist der Flä­chen­be­zug das bestim­men­de Moment der Arbei­ten. Die beton­te Kon­tu­rie­rung erzeugt einen reli­ef­ar­ti­gen Auf­bau, wäh­rend Ver­wi­schun­gen qua­si-male­ri­sche Effek­te erzeu­gen.

Anders ver­hält es sich bei­spiels­wei­se bei den viel­fi­gu­ri­gen Afri­ka-Bil­dern, die auch auf eini­gen Koh­le-Zeich­nun­gen um 1941 eine Ent­spre­chung fan­den. Des wei­te­ren sind die Ent­ste­hung des Lebens und sei­ne Meta­mor­pho­sen, mit denen sich Bau­meis­ter eben­falls dem Ursprüng­li­chen näher­te, zwi­schen 1938 und 1942 gleich­falls nicht nur in den Gemäl­den, son­dern auch in zahl­rei­chen Eidos-Zeich­nun­gen prä­sent.

Zeichnung von Willi Baumeister: Eidos (WVZ-0714)
Eidos
(Inv.-Nr. WVZ-0714)
Zeichnung von Willi Baumeister: Safer mit Punkten (WVZ-2217)
Safer mit Punk­ten
(Inv.-Nr. WVZ-2217)

Im Wech­sel­spiel mit der Male­rei

Nach Kriegs­en­de 1945 und mit der Über­nah­me einer Pro­fes­sur in Stutt­gart im Jahr 1946 redu­zier­te sich das zeich­ne­ri­sche Oeu­vre ab 1947 all­mäh­lich wie­der.

Die beherr­schen­den The­men jener Jah­re blie­ben dem Ansatz der Kriegs­jah­re jedoch in vie­len Fäl­len ver­pflich­tet: Urzeit­ge­stal­ten und Rie­sen, Figu­ren­mau­ern und Urfor­men sowie vie­le reli­ef­ar­ti­ge Figu­ra­tio­nen. In tech­ni­scher Hin­sicht blieb Bau­meis­ter den erprob­ten Prin­zi­pi­en zunächst eben­falls treu. Ver­wi­schun­gen, Durch­rei­bun­gen, Ton­pa­pier, star­ke Kon­tu­rie­run­gen, spar­sa­mer Ein­satz von Far­ben prä­gen die Arbei­ten. Wie in sei­ner Male­rei hell­te sich die Palet­te aber zumin­dest stel­len­wei­se auf und es wur­den man­che Kom­po­si­tio­nen leich­ter, wie die Zeich­nun­gen mit Har­fen und Son­nen­fi­gu­ren und die Ver­wen­dung von Durch­rei­be-Tech­ni­ken zei­gen.

In den letz­ten Jah­ren wand­te sich Wil­li Bau­meis­ter in der Male­rei ver­stärkt der Far­be sowie dem grö­ße­ren For­mat zu. Bei­de Ent­wick­lun­gen sind auch in den Zeich­nun­gen fest­zu­stel­len.

In zahl­rei­chen Mon­taru-Moti­ven (1954) mit klei­ne­ren Flä­chen in den Grund­far­ben, die sich um ein gro­ßes dunk­les Zen­trum grup­pie­ren oder ver­schie­de­nen gelb­ton­i­gen Safer-Zeich­nun­gen (1953) bemüh­te er sich dar­um, einen adäqua­ten Aus­druck auch in der Zei­chen­kunst zu fin­den. Dies gilt in beson­de­rem Maß auch für die Seri­gra­fie der Spät­zeit.

Vom Zeich­nen zum Zei­chen­haf­ten

Ins­ge­samt tritt ins­be­son­de­re in den Zeich­nun­gen Bau­meis­ters des­sen Vor­stel­lung eines Bil­des als Zei­chen deut­lich und vor allem über die gesam­te Schaf­fens­zeit hin­weg zu Tage. Das kal­li­gra­fi­sche Moment, das die Zeich­nung gegen­über der Male­rei aus­zeich­net, war für Wil­li Bau­meis­ter ein wich­ti­ger Schlüs­sel zur Kunst. Beson­ders in schwie­ri­gen Zei­ten, in denen ihm kaum ande­re bild­ne­ri­sche Aus­drucks­mög­lich­kei­ten zur Ver­fü­gung stan­den, trieb er die Ana­lo­gie von Zeich­nen und Zei­chen in den bibli­schen Illus­tra­ti­ons­fol­gen zu einem Höhe­punkt. Doch auch in den übri­gen Pha­sen sei­nes Wir­kens bot ihm das Zeich­nen stets die Mög­lich­keit, mit­hil­fe der Kon­zen­tra­ti­on der Mit­tel zu den Gesetz­mä­ßig­kei­ten der Kunst und der Erschei­nun­gen vor­zu­drin­gen.