Die Kunst, die mein Vater schuf
Felicitas Baumeister erinnert sich – sie wuchs auf mit der Kunst ihres Vaters Willi Baumeister. Zu ihrer Geburt im Jahr 1933 notiert der Vater in sein Tagebuch: „… das Kind ist normal“. Normal ist ansonsten wenig in diesem Jahr, Baumeister verliert als „entarteter Künstler“ seine Professur in der Städelschule Frankfurt. Die junge Familie zieht nach Stuttgart und die Zeit der Inneren Emigration beginnt.
Felicitas wächst in dieser Zeit auf, sie erlebt den Krieg, aber vor allem die Nachkriegszeit, die dem Vater wieder große künstlerische Anerkennung bringt. Sie erinnert sich: An die eigene Kindheit mit dem Malervater. An die Entstehung des Buches „Das Unbekannte in der Kunst“ in der Kriegszeit. An Künstler, die sie kennenlernte, wie Paul Klee, Joan Miró, Fernand Léger und natürlich an Oskar Schlemmer. An Ausstellungen von Baumeister in Paris. An wichtige Sammler wie Ottomar Domnick. Sie blättert in Familienfotoalben und in Willis Tagebuch. Unpublizierte Brief und Fotos, alte Zeitungen, Zeichnungen und Collagen aus dem Nachlass werden von Felicitas ans Licht geholt.
Als 1955 der Vater überraschend starb, ist Felicitas gerade 22 Jahre alt. Gemeinsam mit ihrer Mutter und Schwester beginnt sie mit der Aufarbeitung von Baumeisters Werk. Diese Nachlasspflege wird zu ihrem Lebenswerk. Werkverzeichnisse entstehen in langjähriger Arbeit, Ausstellungen werden unterstützt, das Archiv wächst. Mit der Integration des Archiv Baumeister in das Kunstmuseum Stuttgart im Jahr 2005 folgt ein wichtiger Schritt.
Der Nachlass ihres Vaters ist nun an die Instituion Museum angegliedert und zu einer gut zugänglichen Forschungsstätte geworden. Kommentiert werden Felicitas´ Erinnerungen von Ulrike Groos (Direktorin Kunstmuseum Stuttgart), Peter Chamentsky (University of South Carolina), der jahrelang im Archiv Baumeister Forschungen betrieb und der Leiterin des Archiv Baumeister, Hadwig Goez.
Das Figurenspiel „Der Farbenwächter“
Im Rahmen der Sonderausstellung „Im Rampenlicht. Baumeister
als Bühnenbildner“ im Kunstmuseum Stuttgart 2007, die sich mit dem Thema Theater befasste und Bühnenbildentwürfe des Künstlers Willi Baumeister präsentierte, entstand dieses Figurenspiel in enger Zusammenarbeit mit der Regisseurin und Figurenspielerin Dragica Ivanovic. Das abstrakte Motiv der späten „Montaru“-Bilder, ein großer schwarzer Fleck im Zentrum, neben dem kleinere, leuchtend farbige Formen aufscheinen, bot sich als Vorlage für das Stück an. Dieses Motiv hat Baumeister nicht nur in über 50 Gemälden variiert, sondern auch in einem Bühnenbildentwurf für das Stück „Kasperle-Spiele für große Leute“ verarbeitet, der in der Sonderausstellung gezeigt wurde. In den Gemälden spielt der Künstler immer neue Kombinationen der schwarzen Form mit meist roten, blauen und gelben Bildelementen durch, die vor weißem Grund schweben und beweglich wirken. Feine schwarze Fühler, die sich von der schwarzen Form aus in die Bildf läche vortasten, verstärken den Eindruck von Dynamik. Indem er Formen und Größenverhältnisse abwandelt, lotet Baumeister die Korrelation zwischen den Farben und ihre jeweilige Wirkung aus. Das erzählerische Moment gegenständlicher Malerei tritt zurück zugunsten eines Kräftespiels autarker Bildelemente, bei dem die Farben um die Vorherrschaft zu konkurrieren scheinen. Dieser Wettstreit wurde in ein Bühnenstück
umgesetzt, dass das Thema der vom Gegenstand gelösten, autonomen Farbe kindgerecht aufbereitet.
Mit dem Wechsel ihrer Haltungen und Standorte führen die Farben im Figurenspiel verschiedene Möglichkeiten der Komposition vor und werfen Fragen auf, die sich auch der Maler gestellt haben könnte: Wie verändert sich die Wirkung des Bildes, wenn die Farben die Plätze tauschen? Welche Farbe leuchtet heller vor schwarzem Grund – Rot oder Blau? Für die Zuschauerinnen und Zuschauer soll der schöpferische Prozess so anschaulich werden, dass sie den Eindruck von Farben als eigenständigen Ausdrucksmitteln auf Baumeisters Originale und auf ihre eigene kreative Arbeit übertragen können.



